Montag, 31. Juli 2006

THE VILLAGE - ein Dorf vor dem Wald 12

Die Dorfkneipe:

In den früheren Zeiten gab es in Daraau zwei Dorfkneipen, und beide hatten immer gut zu tun, was für den Durst und die Geselligkeit der Dorfbewohner spricht. Irgendwann aber wurde eine davon nur noch als Lottoannahmestelle genutzt und außerdem als Filmvorführsaal, denn das richtige Kino war fünf Kilometer weit entfernt in der Kleinstadt. Als ich meinen ersten Film dort sah, in diesem staubigen Saal, hatte ein junger männlicher Verwandter von mir dort einen epileptischen Anfall. Es war grauenhaft, nie werde ich seine Krämpfe und Zuckungen vergessen...

In der anderen Dorfkneipe traf man fast nur Männer an, vor allem beim sonntäglichen Frühschoppen vor dem Mittagessen. Das war reine ‚Men’s World’. Während der Duft von Schweinebraten in der Luft lag und vielleicht der Duft von zerquetschten Himbeeren, machten wir Kinder uns auf, um den Herren der Schöpfung das Geld aus der Tasche zu ziehen, denn die liebten Kinder, sie liebten vor allem kleine Mädchen, deren Onkels sie waren und die nur für kurze Zeit im Dorf waren. Und sie gaben dem kleinen Mädchen viel Geld, um es in diesen wunderbaren Erdnussspender zu stecken und dann durch durch Drehen an der Kurbel eine lose Portion Erdnüsse in die Hand zu bekommen. Ich war mächtig reich an Geld zu diesen Zeiten. Jeder meiner Onkels ließ zumindest einen Schein springen, und ich legte das Geld später in Capri-Eis an... Welch Entzücken, an einem heißen Tag Capri-Eis zu essen, ein reines wässriges Fruchteis, gut gegen Hitze und Durst und gekauft in dem einzigen Lebensmittelladen des Dorfes, der gleichzeitig auch die Poststelle inne hatte.

Capri-Eis
Ich war reich in diesen Wochen, egal ob gefühlsmäßig oder materiell, ich war reich...


Ein Haus der 60iger Jahre:

Als ich elf Jahre alt war, bauten Tante Irmgard und Onkel Friedel IHR Haus. Es war nicht besonders groß, hatte zwei Stockwerke, und unten wohnten Tante und Onkel, und oben wohnten Oma und meine Cousine Michaela. Das Haus stellte einen gewaltiger Fortschritt in hygienischer Beziehung dar, ich weiß immer noch nicht, wie sie das in dem alten Haus auf die Reihe gekriegt hatten, so ganz ohne warmes Wasser aus der Steckdose, ohne Badewanne oder gar Dusche, und dennoch waren alle immer ganz penibel sauber gewesen trotz der nur teilweisen Waschungen des Körpers. Jetzt aber in dem neuen Haus gab es eine Nachspeicherheizung, alles war wohlig warm im Winter, es gab ein Badezimmer mit einem riesigen Warmwasserboiler, und man gewöhnte sich schnell daran.

Natürlich konnten sie die Tiere nicht mitnehmen. Die Hühner, die Schweine und die beiden zickigen Ziegen wurden wohl geschlachtet, oder irgend jemand hat sie übernommen und später geschlachtet.

Es gab auch hier einen schönen großen Gemüsegarten, und das schönste am Haus war, man konnte direkt in den Wald sehen, und er war schnell zu erreichen.

Hier in diesem hellhörigen Haus der 60iger Jahre verbrachte ich die Ferien der nächsten Jahre. Es war okay. Nein, es war gut, allerdings anders als vorher in dem alten Haus, aber es war gut.

Gen Ende der Ferien erlebte ich, wenn ich Glück hatte, das Schützenfest des Dorfes. Ich liebte die beiden kleinen Schießbuden, ich liebte das Kinderkarussell mit seinen weiß lackierten Pferdchen, die vor- und zurückschwangen, ich liebte das Festzelt und die Sülzkoteletts am Sonntag Morgen (gegen den Kater), ich liebte das Tanzen zu den Klängen der Blaskapelle, und vor allem ich liebte die schrillen Klänge der Querflöten des Daarauer Spielvereins, wo der Bruder meines Vater, mein Onkel Thomas die große Pauke schlug, ich bewunderte den schwarzäugigen Typen, der eine kleinere Trommel schlug und irgendwie mit mir verwandt war, und ich hatte endlich eine Begegnung mit dem Jungen aus dem Ruhrgebiet, der hier manchmal die Ferien verbrachte, aber nicht so oft wie ich. Dieser blonde Junge, der aussah wie der Jim aus „Fury“.

Wir kamen uns tatsächlich näher und saßen irgendwann in dieser Raupe, diesem Karussell mit dem Verdeck, das war das erste Mal, dass sie so etwas hier hatten, und tatsächlich legte er den Arm um mich, aber ich glaube, ich war nicht mehr in ihn verliebt, also suchte ich danach schleunigst das Weite. Wieder eine Illusion zerstört.

Ich muss gestehen, obwohl ich nicht besonders hübsch war und eher durchschnittlich aussah, wurde ich in Daarau immer sehr umschwärmt von den Jungs. Na klar, das Mädchen aus der Großstadt! Und wie sagt man so schön: Unter den Blinden ist der Einäugige der König... Oder besser noch: In der Dämmerung werfen selbst Zwerge große Schatten... Ich war eben diese Einäugige oder jene Zwergin. Und ich hatte den Rang der Königin oder der Zwergin inne. Zumindest solange, bis meine Adoptivschwester mich vom Thron stieß... Aber das ist eine andere Geschichte, und diese Geschichte ist für mich nicht wichtig.

Ende Teil 12

(fast fertig, nur noch zwei Teile)

Ich hätte am Freitag nicht im Traum dran gedacht,

dass ich im Montag frieren würde. Aber das Frieren tut gut...

(K)EIN Platz in der...
Feelings
Fotos, eigene
Fragen und Umfragen
Fragmente-oder Firlefanz
Frueher
Frustige Zeiten
Fundgrube
GARTEN
Gedichte...
Geschichten
Iggy in da house
Katzen, schwarze
Krankheit
LoVe-StOrY
THE VILLAGE
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren