Donnerstag, 26. Juli 2007

Der freie Wille

Er wachte auf wie an jedem Werktag, geweckt von einem miesen Schlager, der aus dem billigen Radiowecker hervordröhnte. Er stand sofort auf, pflichtbewusst wie er halt war. Er warf einen kurzen Blick auf das andere Bett. Sie lag da und schnarchte. Die Bettdecke hatte sie beiseite gestreift, und ihre dicken Beine lagen entblößt da. Er erschauerte vor leichtem Ekel und schaute schnell von ihr weg.

Im Büro war es genauso erbärmlich wie immer. Falsch, es war noch ein bisschen erbärmlicher, und er hatte den Eindruck zu träumen. Da war nämlich eine Person, die er abgrundtief hasste und die eigentlich gar nicht mehr da sollte. Sie hatte vor ein paar Jahren die Firma verlassen - und damit aufgehört, ihm die Hölle heiß zumachen.

Wieder erschauerte er. Er musste träumen. Na klar, anders war es nicht zu erklären, es konnte nicht sein, es war doch vorbei... Und dennoch fühlte er ihren Blick auf sich gerichtet, diesen gemeinen verkniffenen Blick, der neue Angriffe versprach, neue Gemeinheiten, gegen die er sich nicht zu wehren wusste.

Aber er träumte! Er konnte nur träumen, das war doch alles Vergangenheit, es war überstanden, ausgesessen und später mit anderen Leuten ausdiskutiert worden. Er hatte es überwunden, er war stärker geworden, sie konnte ihm nichts mehr anhaben, sie war Vergangenheit... Fertig aus!

Er brachte den Arbeitstag zähneknirschend hinter sich, spürte immer den Blick dieser Kuh im Nacken – und wunderte sich, als er kurz vor Feierabend zum Chef gerufen wurde.

Der Chef sah genauso widerwärtig und hassenswert aus wie immer, das war ausnahmsweise ein beruhigendes Merkmal an diesem Tag.

„Wie geht es Ihnen?“ fragte der Chef ihn jovial.

„Hmmm, geht so....“ , antwortete er vage.

„Das verstehe ich nicht“, sagte der Chef mit einem milden Grinsen. „Es ist doch alles so wie immer...“

„Das ist ja gerade das Problem!“ Er hielt sich die Hand vor den Mund. Wie hatte er das nur sagen können?

„Was wollen Sie eigentlich“, sagte der Chef, und seine Mundwinkel verzogen sich spöttisch nach oben. „Wir versuchen doch nur, ihre Wünsche zu erfüllen. Wir versuchen, Ihr Leben nachzustellen. Das machen wir immer so, wenn jemand tot ist...“

„Ich verstehe nicht“, stammelte er.

„Nun denn, wir sind davon ausgegangen, dass Sie Ihr Leben geliebt haben. Sie müssen Ihre Frau geliebt haben, weil Sie es so lange mit ihr ausgehalten haben – und Sie müssen ihre Kollegen geliebt haben, sonst hätten Sie deren üble Scherze....“

„Wie, tot?“ Er fühlte ein klammes Gefühl in seinen Eingeweiden – und dann erinnerte er sich: Ein Auto war auf ihn zugerast, als er schon halb auf der Straße stand. Es gab einen lauten Knall, und dann war da nichts mehr. Und dann war er in seinem Bett aufgewacht und zur Arbeit gegangen...

„Wir sind davon ausgegangen, dass Sie sich dieses Leben ausgesucht haben.“ sagt der spöttische Mund des „Chefs“ gerade.

„Aber ich habe....“ Er verstummt, als ihm einiges bewusst wird. Und was hat er schon groß zu verlieren? Man lebt ja schließlich nicht nur einmal....

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