THE VILLAGE - ein Dorf vor dem Wald 7

Das Dorf, die Teiche und das Herrenhaus:

Das Dorf selber war ungewöhnlich, unter anderem durch die Trennung in das Untere- und das Obere Dorf, andererseits bestand das Dorf Daarau eigentlich nur aus vielen Häusern, die größtenteils entlang der Durchgangsstraße angeordnet waren. Wenn man ein Stückchen nach Daarau hineinfuhr, dann ging es auf einmal nur noch nach rechts oder nach links, weil ein Teich die Weiterfahrt versperrte. Es handelte sich um den „Oberen Teich“, und auf der anderen Seite des Teiches konnte man das sogenannte Herrenhaus sehen, ein mit graurosa Schiefer behangenes zweistöckiges schlichtes Gebäude. Es gehörte seit eh und je den Baronen von Daarau.

Das Herrenhaus, die Stallungen, die Kirche, der große verwilderte Park am Herrenhaus und vor allem das Mausoleum der Freiherren von Daarau regten meine Fantasie mächtig an. Und jetzt, Jahrzehnte später erwecken sie immer noch meine Faszination, denn in diesem riesigen Park lagen und liegen immer noch Gedenkstein wüst herum, die teilweise aus dem 13.
Jahrhundert stammen. Kein Mensch kümmert sich darum.

Manchmal war ich in der Abenddämmerung mit ein paar Jungens unterwegs, wir schlichen uns in den Gutspark, und einer von den Jungens hob mich hoch, damit ich durch das verstaubte Fenster des Mausoleums schauen konnte. Ich sah die vielen Särge, und es war wirklich gruselig.
das ist das Mausolaeum
Die Kirche gehörte anscheinend früher dem Herrenhaus, und der großzügige Baron gestattete wohl den Dorfbewohnern, sie zu benutzen, aber diese Gabe war ein bisschen verschwendet, denn zu 98% waren die Dorfbewohner nicht sehr religiös, zumindest nicht religiöser als eine Katze. Auch meine Oma ging nie sonntags in die Kirche. Ansonsten beherrschte das Herrenhaus das Dorf, gab vielen Leuten Arbeit, zum Beispiel auf den großen Gemüsefeldern, auf denen Erbsen und Bohnen angepflanzt wurden und auf denen dann die Frauen des Dorfes dieses Gemüse pflückten und pro Zentner acht Mark bekamen. Bei dicken Bohnen waren es zwei Mark, denn die waren natürlich viel schwerer.

Der Weg vom Herrenhaus – mit seinem riesigen Hof und dem Misthaufen in der Mitte – in Richtung Unteres Dorf war und ist immer noch das Romantischste, das ich jemals gesehen habe... Wie oft bin ich dort hergegangen, habe gestaunt und mich gewundert. Denn trotz mancher Geschmacksverirrungen, zum Beispiel aus Glasbausteinen gemauerte Hauseingänge, wirkte dieser Weg einzigartig idyllisch. Alles war herrlich grün, die Blumen in den Gemüsegärten, Dahlien, steife Gladiolen und luftiger duftender Phlox waren wunderschön sommerlich und bunt, und sogar das vorherrschende Gemüse sah prächtig aus.

Später habe ich nur noch in südlichen Ländern ähnliches gesehen, diesen Verfall, dieses Liegenlassen von irgendwelchen Sachen und das Fehlen von Verschönerungsversuchen (Gott sei Dank, denn bei Verschönerungsversuchen kann es zu peinlichen und geschmacklosen Ergebnissen kommen).

Es ging also nur nach links in das Obere Dorf und nach rechts ins Untere Dorf. Das Untere Dorf war anscheinend viel älter als das Obere Dorf, und es gab dort die beiden anderen Teiche, nämlich den Mittleren – auf dem immer Schwäne und Entengrütze schwammen – und schließlich den Unteren Teich. Ein paar ärmliche Häuser und danach nur Weiden standen an seinem Ufer, er war langgezogen, nicht sehr breit, und ein paar Enten paddelten auf ihm herum. Er war auch nicht besonders groß, aber durch die Abwesenheit von Häusern, also durch die Einsamkeit war er wohl der schönste Teich in Daarau. Die nahezu lautlose Stille und die Einsamkeit, die in der Abenddämmerung an diesem Teich herrschte, war überwältigend.

Die Weiden setzten sich in einer geschlängelten Reihe fort, und man konnte den Lauf des Baches an den Weiden erkennen bis zum nächsten Dorf.

Erlkönig... Das dachte ich immer, wenn ich dort herging.

Alle drei Teiche wurden von einem Bächlein gespeist, das den unpoetischen Namen Strulle trug und direkt aus dem Wald kam, das letzte Stück allerdings unterirdisch. Es sammelte sich in einem kleinen gemauerten Becken, und das Wasser war so klar und gut, dass man es bedenkenlos trinken konnte. Außerdem war es sehr kalt und an den wenigen heißen Tagen konnte man die Füße wunderbar darin kühlen. Außerdem wurden Kartoffeln darin gewaschen. Dieser Bachlauf speiste also die drei Teiche von Daarau, die einer hinten dem anderen lagen.

Das Obere Dorf war bei weitem nicht so romantisch wie das Untere, aber dafür war es sehr viel größer. Von der Hauptstraße gingen zwei neuere Straßen ab, und entlang dieser Straßen wurden die Häuser immer moderner. Die zwei brandneuen Straßen enttäuschten mich, und nach ein paar Ausflügen dorthin kehrte ich schnell auf die alte Hauptstraße zurück, an der stattliche Gehöfte lagen, die mit Schiefer behangen waren und die teilweise noch altes Fachwerk hatten. Ich besuchte dann die Familie Kosta mit Vattel, Muttel und meinen beiden angeheirateten Onkeln, nämlich Hartmut und Volker. Sie wohnten mittlerweile in einem dieser wunderbaren historischen Niedersachsen-Häusern, und sie hatten es letztendlich doch geschafft, in der Hierarchie des Dorfes aufzusteigen.

Ende Teil 7
tschapperl - 12. Jun, 20:24

Es gibt also doch Leben in der Pampa. Jaja, die kleinen Geschichten überall.
Schöne Beschreibung der Idylle.

Iggy - 12. Jun, 20:46

leben gibt es genug,

aber auch das andere, das gegenteil vom leben, wird wahrscheinlich noch auftauchen. tut aber der idylle keinen abbruch, denke ich.
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