THE VILLAGE - ein Dorf vor dem Wald 3

Wie man auf dem Dorf lebte:

Ein riesiger Kohleherd heizte die Wohnküche. Das Holz, das meine Oma im Sommer gehackt und feinsäuberlich zu einem dieser akkuraten großen Stapel aufgeschichtet hatte, wurde Stück für Stück im Laufe des Winters verbrannt.. Manchmal kochte sie sogar auf diesem emaillierten Ofen, obwohl sie schon einen Elektroherd hatte.

Diese Wohnküche war der gemütlichste Ort auf der Welt. Am Esstisch stand ein uraltes Sofa, das ich ‚mein Hoppsala-Sofa’ nannte, und wie der Titel schon sagte, hopste und sprang ich gewaltig auf diesem Sofa herum. Ich hab es nicht kaputtgekriegt, es war wohl von bester Qualität.

Und auf diesem Sofa konnte man wunderbar Bücher lesen, vor allem bei schlechtem Wetter, und schlechtes Wetter war eigentlich die Norm in all den Jahren. Meine Bücher bezog ich aus dem Bücherfundus meiner Tante Lisa, der jüngsten Schwester meines Vaters. Es gab da Werke wie ‚Die Blechtrommel’, ‚Lolita’ und ‚Lady Chatterly’ und vor allem die Kurzgeschichten von Daphne du Maurier, die ich mir im Alter von zehn oder elf Jahren einverleibte. Lolita fand ich irgendwie doof. Wie ich Lady Chatterly fand, weiß ich nicht mehr so genau. Ich glaube aber, dass dieses Werk keinen großen Schaden an meiner kindlichen Seele angerichtet hat. Da waren andere Kräfte, nicht literarischen Ursprungs, am Werke, aber nicht in Daarau. In Daarau genoss ich die höchstmögliche Freiheit, die ein Kind genießen konnte, und ich war sogar mit zwölf Jahren noch ein Kind, heute vielleicht eine Unmöglichkeit, aber ich glaube, ich wollte nicht so schnell erwachsen werden, ich war und bin eben ein Spätzunder, bei mir dauert alles immer ein bisschen länger.

In der Wohnküche fand auch die sogenannte Vesper statt, das nachmittägliche Kaffeetrinken. Aber richtiger Bohnenkaffee wurde nur an den Sonntagen kredenzt, es gab normalerweise Malzkaffee oder frische Milch, die meine Oma immer in riesigen Kannen vom Bauern bekam. Es gab dieses herrliche Brot mit einer Oberfläche, die so glänzend aussah wie lackiert, dazu selbstgemachtes Schmalz oder selbstgemachte Ziegenbutter, die meine Oma aus der wässrigen, leicht bläulich aussehenden Milch ihrer beiden Ziegen gewann. Sie drehte solange an dem Rädchen ihrer kleinen Zentrifuge, bis sich das Fett in der Milch von den anderen wässrigen Substanzen schied. Dann wurden die so gewonnenen Fettklumpen in ein Tuch gelegt, und das Tuch wurde solange ausgewrungen, geknetet und wieder ausgewrungen, bis der letzte Tropfen Flüssigkeit heraus war. Und dann war es endlich Ziegenbutter, die immer in Kugelform auf einem kleinen Teller serviert wurde. Ich liebte diese Ziegenbutter.

Ende Teil 3
Mauzi - 8. Mai, 19:16

ach, so macht man Butter... das wusste ich nicht!

Iggy - 8. Mai, 19:29

ich schätze mal,

im prinzip wird das heute noch so gemacht, mit zentrifugen, die das wasser herausschleudern.
falls das nicht stimmt, sollte man mich korrigieren....
;-)
antworten
Bolle Lehmann - 8. Mai, 21:13

Es ist schade, daß heute kaum noch jemand weis wie das früher alles funktioniert hat.

Iggy - 8. Mai, 21:20

das wissen heute nur noch techniker

und ingenieure. leider... dabei wäre es im grunde doch so einfach.
antworten
grobi. - 9. Mai, 21:53

Wunderbar! Und heute durfte ich sogar gleich zwei Teile der Geschichte lesen :)

Ich habe noch nie Ziegenbutter gegessen, es klingt sehr lecker! Die Art der Butterherstellung kenne ich noch von alten Geschichten der Bauersfrauen. Sehr fein, wie Du das beschreibst.

Liebe Grüße,
Grobi

Iggy - 9. Mai, 22:00

grobi, bist du wieder daheim?

ich muss unbedingt mal bei dir nachlesen, was so gelaufen ist in der schweiz.

die story: na ja, ich hab das alles so subjektiv in erinnerung....
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