Wenn eine Tür sich schließt... (Teil 2 von 9)

Without a trace... Auch Cooney dachte an Feh, er polierte gerade ein Weinglas, als der Kleine sich zu ihm gesellte. Cooney seufzte auf, stellte das Weinglas zur Seite und band sich die Schürze, die er sich von einem kleinen Mädchen aus der Nachbarschaft „geliehen“ hatte, fester um.

„Onkel Pepe schläft“, berichtete der Kleine mit seiner fiepsigen Stimme.

„Er ist alt und wird es wahrscheinlich nicht mehr lange...“ Cooney verkniff sich die letzen Worte, denn er wollte den Kleinen nicht noch mehr beunruhigen. Der Kleine war ja fürchterlich daneben, seit seine Mutter verschwunden war. Und Squirrel war zwar lieb und nett und vor allem total vernarrt in den Kleinen, aber die Mutter konnte er ihm wohl nicht ersetzen. Er bemühte sich zwar sehr, versuchte den Kleinen an ein Leben draußen zu gewöhnen, und das hieß: Squirrel musste ein Winternest im Baum anlegen, Squirrel musste Nüsse und Eicheln sammeln für den Winter und sie irgendwo verstecken, wo man sie wiederfinden konnte. Squirrel musste alles tun, wozu er eigentlich keine Lust hatte. Cooney empfand größten Respekt für Squirrel, der ja eigentlich ein Künstler war.

„Wohin geht Onkel Pepe denn dann?“

Cooney fluchte innerlich. Diese Kinder mussten einen immer nach den unmöglichsten Sachen ausfragen.
„Onkel Pepe weiß“, begann er vorsichtig, „dass man von den Menschen weggebracht wird an einen Ort, an dem man sich sehr wohl fühlt und an dem man dann von allen Qualen erlöst ist.“

„Ehrlich?“ Der Kleine sah erstaunt aus.

„Klar doch, little Brother, er hat es ja selber gesehen. Er kam zu den Menschen, und die hatten schon einen sehr alten Kater. Die Menschen überlegten lange, aber als sie dann sahen, dass der Kater schlimm dran war, da nahmen sie ihn eines Tages und brachten ihn an diesen Ort....“

„Das ist schön“, sagte little Brother andächtig, um dann blitzschnell fortzufahren:
„Was meinst du Uncle cool Cooney, ist meine Mammi auch an diesem Ort?“

„Ich...ääääh weiß es nicht“, stotterte Uncle cool Cooney gar nicht so cool wie sein Name es vermuten ließ.

„Aber wo ist sie dann?“ fragte der Kleine, und Cooney hasste fast seine Beharrlichkeit. „Meinst du, sie hatte mich nicht lieb, und ist deswegen abgehauen?“

„No, little Brother!“ Cooney sagte das mit Überzeugung. „Deine Mutter hatte so ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein, das war schon nicht mehr schön...“ Cooney überlegte krampfhaft, was er dem Kleinen noch sagen sollte, fand heraus, dass er ziemlichen Bullshit geredet hatte und sagte dann mit einiger Verzweiflung: „Na, wenn die dich nicht lieb gehabt hat!“

Der Kleine gab sich dem Anschein nach damit zufrieden, verließ Uncle cool Cooney und machte sich auf, um nach draußen zu gehen, und zwar durch die Katzenklappe, die auf die Veranda führte. Es sah schon sehr dunkel draußen aus. Er blickte kurz zurück und sah Onkel Pepe auf der Fensterbank schlummern. Dann wuselte er sich durch die zweite Katzenklappe, die wirklich ins Freie führte und kletterte sofort auf seinen Geburtsbaum, der ganz nah am Haus stand, weswegen (aber das wusste der Kleine natürlich nicht) die Besitzer des Hauses ihn schon öfter verflucht hatten wegen der vielen Nadeln, die immer und ewig herunterrieselten von diesem Baum.

Natürlich war Paps war. Er hockte trübsinnig in dem irgendwie ungemütlichen Nest, das er selber gebaut hatte, mit seinen eigenen Pfoten hatte er es gebaut. Es waren künstlerisch begabte Pfoten, die nicht dafür geeignet waren, Baumaterial für das Nest zu sammeln. Der Kleine schaute sich die Pfoten von Paps an. Sie sahen ziemlich ungepflegt aus, Paps selber sah ziemlich ungepflegt aus. Der Kleine erinnerte sich daran, dass Paps früher besser ausgesehen hatte, nicht so struppig und vor allem nicht so verzweifelt. Der Kleine erinnerte sich auch daran, was sie alles versucht hatten, als Mammi verschwunden war. Sie hatten natürlich jeden gefragt, ob er vielleicht etwas gesehen hätte. Sie hatten Feh beschrieben, haargenau – aber niemand hatte etwas gesehen. Und es war jetzt schon viele Tage her. Und die Tage wurden zusehends kürzer, das Laub war fast vollständig von den Bäumen abgefallen, und es war kalt und ungemütlich in dem Baum, vor allem in den Nächten.

Der Kleine legte sich an Paps’ Seite und versuchte sich an Paps’ Körper warm zu halten, aber das funktionierte nicht. Sein dünnes Fell war nicht gerade geeignet, der Kälte zu trotzen, und nach kurzer Zeit fing er an, mit seinen winzigen Zähnen zu klappern.
„Paps!“ Er rüttelte an seinem Vater. „Sollen wir nicht zu Onkel Pepe gehen? Da ist es so schön warm...“
Paps reagierte nicht. Und er fühlte sich auch ziemlich kalt an, wie der Kleine feststellen musste. Oh je, oh je, was war los mit Paps? Und was sollte er tun? Der Kleine schaute aus dem Nest in die Dunkelheit und wimmerte ängstlich vor sich hin. Er hatte Angst, Paps alleine zu lassen.

Auf einmal hörte er eine tiefe Stimme, die zu ihm sprach: „Was knurr is’n los, knurr Kleiner?“

Die Augen des Kleinen waren natürlich Eichhörnchenaugen, also Augen, die eher im Hellen gut gucken konnten, und deswegen war er jetzt quasi blind. Aber die Stimme kannte er. Sie gehörte einem Streuner, der neu in der Gegend war. Dieser Streuner war nachtschwarz, bis auf einen winzigen weißen Fleck auf seiner Brust, und er wollte mit keinem was zu tun haben. Der Kleine hatte ihn manchmal schon von Baum aus beobachtet. Dieser Kerl war wohl sehr knurrig veranlagt – er führte sogar knurrige Selbstgespräche. Aber konnte man ihm trauen? Der Kleine entschloss sich, dem knurrigen schwarzen Kerl zu trauen, denn was anderes blieb ihm nicht übrig. Paps machte so einen kalten Eindruck.
„Hi Schwarzer“, sagte er forsch, um das Zittern in seiner Stimme zu überdecken.

„Nenn mich einfach Psycho San“, sagte der Schwarze, der in der Dunkelheit nicht zu erkennen war als schwarz oder überhaupt als Kater.

„Pssei...was? Weißt du was, ich nenn dich einfach Sanni. Kannst du mir helfen?“ Ein heftiges Rascheln war im Gebüsch unter dem Baum zu hören, dann ein Knurren, und der Kleine bekam ein wenig Angst.

„Psycho San heiße ich! Aber meine Güte, was soll’s? Was ist denn los, Kleiner?“ meldete sich Psycho San knurrend zu Wort.

„Paps ist so kalt! Ich will nicht, dass Paps so kalt ist.“

„Und was schwebt dir so vor, Kleiner?“, knurrte Psycho San.

„Wir müssen ihn ins Haus bringen zu Onkel Pepe.“

„Oha“, knurrte Psycho San. „Onkel Pepe, ist das dieser alte Knacker, der immer auf der Fensterbank pennt?“

„Onkel Pepe ist kein Knacker, Sanni“, sagte der Kleine entrüstet – er wusste zwar nicht, was mit „alter Knacker“ gemeint war, aber Sannis Tonfall hörte sich irgendwie beleidigend an, und auf Onkel Pepe ließ er nix kommen.

„Wie auch immer“, knurrte Psycho San gelassen. „Also, was schwebt dir so vor?“

„Kannst du Paps irgendwie runter tragen... und durch die Klappen zu Onkel Pepe bringen?“

Es war sehr still unter dem Baum. Sanni überlegte anscheinend angestrengt. Hoffentlich überlegte er. Der Kleine hatte echt Angst, dass Sanni einfach abgehauen war. Aber nach einer Weile hörte er Psycho Sans knurrige Stimme sagen: „Also wirklich Kleiner, du hast Sachen drauf! Hmmm, ich könnte ihn mit meinen Zähnen tragen... Blöderweise hab ich überhaupt keine Übung darin. Das ist bei Katzen eher Weibersache... Ich kann mich zwar erinnern, dass meine Mutter mich mal so trug, aber...“ Psycho San verstummte, und sogar in der Dunkelheit war zu erahnen, dass er nicht weiterreden wollte.

„Bidde, bidde!“. bettelte der Kleine „Versuch es doch einfach! Bidde, bidde!“

„Verdammich“, knurrte Psycho San. Er nahm ein wenig Anlauf und sprang dann wie einer dieser Bären aus dem Fernsehen an dem Baum empor, immer stückweise, bis er die Astgabel mit dem Eichhörnchennest erreicht hatte.

„Hi Sanni!“ Der Kleine begrüßte ihn freudig.

„Hi Kleiner. Na, dann wollen wir mal!“ sagte Psycho San. Er peilte die Lage, sah ein Eichhörnchen im Nest liegen, das war dann wohl der Paps von dem Kleinen, und er sah nicht gut aus, der Paps, also zögerte Psycho San nicht lange, denn wenn er gezögert hätte, hätte er die ganze Sache gar nicht erst angefangen, es war einfach zu absurd, also zögerte er nicht, er packte Paps mit den Zähnen am Nacken – Paps war erstaunlich leicht zu tragen – und sprang dann vorsichtig aus dem Nest heraus, hakte sich am Baumstamm ein und hangelte sich Step bei Step mit dem Hinterteil nach unten den Baumstamm hinunter.
Der Rest war einfach. Es ging ja nur noch geradeaus. Er folgte dem Kleinen und war auf einmal inmitten von Wärme. Er sah ein weiches großes Ding, sprang darauf - es war nicht besonders hoch - und legte den kalten Paps dort ab.

Ende Teil 2
tschapperl - 17. Dez, 23:35

Psycho San !?
*ggg*

Iggy - 18. Dez, 06:25

das ist korrekt!

ich musste dem kleinen irgendwie ein denkmal setzen, der hat mich schwer beeindruckt. ;)
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