Wenn eine Tür sich schließt... (Teil 4 von 9)

So war es wohl, denn Pepe erzählte aus seiner frühen Kindheit:
„Wir waren zu viert, meine Mama war eine kleine Tigerin. Sie hatte, bevor sie uns bekam, einen netten Kater kennen gelernt“, meinte Pepe versonnen. „Natürlich war er kein richtiger Kater mehr, der gute Onkel Lewis, aber er mochte meine Mama irgendwie und erlaubte ihr, bei ihm zu wohnen...“

„Und dann? Was ist dann passiert?“ fragte der Kleine gespannt.

„Wie war das noch?“ Pepe überlegte und fuhr dann fort: „ Sie wurde überfahren, als wir noch ganz klein waren...“

„Oh!“, sagte der Kleine bedauernd. Onkel Pepes Mutter war also auch weg gekommen.

„Der Mensch, der bei Onkel Lewis wohnte, gab sich viel Mühe mit uns, aber Mama fehlte uns schrecklich, es gab keine Milch mehr zu trinken, wir mussten uns von einem Tag zum anderen an Katzenfutter gewöhnen...“ Sie konnten Pepe förmlich ansehen, wie er in Erinnerungen schwelgte. „ Und Onkel Lewis hat uns geliebt. Er hat sich immer hingelegt und dachte wohl, wir könnten an ihm Milch trinken wie bei Mama, Da kam aber keine Milch, und trotzdem war es schön...“ Pepes Pfoten zutzelten mit rhythmischen Bewegungen an der weichen Decke, auf der er lag, und er fing an heftig zu schnurren...

„Grundgütiger!“ Psycho Sans knurrende Stimme schreckte alle auf. „Bei mir war es ein bisschen unromantischer...“

„Oh je Sanni, was ist denn passiert?“, fragte der Kleine

„Nix besonderes“, knurrte Psycho San. „Meine Mutter lebte mit uns unter einer alten verlassenen Gartenlaube. Mutter war noch sehr jung, nicht einmal richtig erwachsen. Die Menschen hatten ihr wohl einen Tritt verpasst, als sie schwanger wurde – und sie musste sich alleine durchschlagen.

„Das ist aber schlimm Sanni“, meinte der Kleine mitfühlend, während alle anderen die Klappe hielten, während ihre Blicke fasziniert an Psycho Sans knurriger Katzenschnute hingen.

„Och ja, es war ... eben so. Es gab nie genug zu fressen für uns fünfe. Deswegen brachte Mutter auch unseren kleinen Bruder weg. Wir haben nie wieder was von ihm gesehen...“

„Das ist wirklich schlimm“, fiepste der Kleine, und auch die anderen sahen Psycho San mitleidig an. Aber Psycho San ignorierte ihre mitleidigen Blicke.

„Dann brachte sie auch noch ein Schwesterchen weg, und wir waren nur noch zu dritt. Aber es ging uns besser, wir konnten zwar nicht mehr von ihr trinken, aber sie spuckte uns zweimal am Tag Katzenfutter hin, so dass wir ganz gut satt wurden. Natürlich haben wir uns immer gestritten ums Ausgespuckte.“ Psycho San holte tief Luft, bevor er weiterknurrte: „Bei uns ging es eigentlich nur ums Fressen. Wir haben fast nie miteinander gespielt, wir waren immer Konkurrenten ums Futter“, Psycho San knurrte verächtlich. „Und Mutter – die mochte uns anscheinend nicht besonders. Sie hat uns zwar versorgt, aber richtig lieb war sie nie zu uns.“

„Aber das gibt es doch gar nicht“, warf Pepe ein, „dass eine Mutter ihre Kinder nicht liebt.“ Pepe hatte seine eigenen Erinnerungen an seine Mutter, und diese Erinnerungen waren gut.

„Ich wollte ihr nicht gehorchen, und deswegen mochte sie mich nicht“, knurrte Psycho San, und seine großen goldgelben Augen verwandelten sich in goldgelbe Schlitze. „Aber ich will nicht länger drum herumschwafeln, irgendwann brachte Mutter uns drei Kätzchen zu irgendwelchen Menschen, die wollten uns aber nicht behalten, sondern brachten uns in einem Käfig irgendwohin, wo wir getrennt wurden. Dann kam endlose Zeit später ein Mensch vorbei, der mich haben wollte, aber...“ hier stockte Psycho Sans Stimme ein wenig. „Er hat mich nach ein paar Tagen rausgeschmissen. Lag vielleicht daran, dass ich nicht sehr freundlich war und alles angeknurrt habe. Sogar mich selber...“

„Und dann Sanni?“

„Tja, und dann bin ich ziemlich lange durch die Gegend gezogen, habe da mal was geklaut und dort mal was stibitzt, bis sie mich gefangen haben. Diesmal landete ich in einer Tierhandlung, was für ein beschissener Ort, stickig, stinkig, mit zahmen Mäusen und Ratten...“ Psycho Sans Geknurre verstummte.

„Und wie bist du da weggekommen, Sanni?“

„Ich hab mich krank gestellt, mich einfach hingelegt und nicht mehr bewegt...“ sagte Psycho San ungerührt. „Und dann kam einer und hat mich aus dem Käfig gezogen. Er wollte mich bestimmt in die Mülltonne werfen, klar hatte ich Schiss, aber ich hab mich solange nicht bewegt, bis er die Mülltonne aufgemacht hat...“

„Eia, das ist ja schrecklich, Sanni, und dann, und dann?“ fragte der Kleine gespannt, und seine braunen Augen glitzerten.

„Dann habe ich ihn schrecklich gekratzt, ich mein sogar im Gesicht, er hat mich fallen lassen, und ich bin über die hohe Mauer gesprungen...“

„Wow!“, sagte der Kleine bewundernd. Auch die anderen schauten Psycho San respektvoll an. Er war wohl ein richtig wilder und vor allem ein cleverer Kerl.

Der Kleine allerdings grübelte in sich hinein, er hatte nicht vergessen, was Sanni von seiner Mutter erzählt hatte, und das machte ihn irgendwie traurig.
„Ich glaub aber bestimmt, dass deine Mammi dich lieb gehabt hat!“, sagte er schließlich nach einer Weile. „Meine Mammi hat mich lieb gehabt, das weiß ich!“ Der Kleine starrte auf die Fensterscheibe, ohne sie wirklich zu sehen. „Und ich war zwar noch ganz klein, aber ich kann mich dran erinnern, wie sie mir vorsang...“ Der Kleine räusperte sich, holte tief Luft und sang dann mit leiser Stimme:
„Brown eyes,
baby’s got brown eyes
like a deep brown tree
on a summer day…”

Pepe guckte betroffen und putzte sich angestrengt, wobei er viel Aufmerksamkeit auf seine Augen verwendete... Cooney hielt sich den Putzlappen vors Gesicht, anscheinend wollte er hineinniesen, aber es kam kein Nieser... Squirrel kamen die Tränen, und deswegen schaute auch er auch starr auf die Fensterscheibe und dachte: Ach Feh, du Liebste und Schönste, was ist mit dir? Warum hast du uns verlassen?

Ende Teil 4
punctum - 19. Dez, 11:35

schnüff...

wirklich schön geschrieben. bin ganz gerührt. obwohl, die "brown eyes" lassen mich doch grinsen :-)

iggy (Gast) - 19. Dez, 12:26

ist hart an grenze, nicht wahr?

aber bisschen elton john muss sein.
Grüß dich puntumchen… ;)
antworten
punctum - 19. Dez, 12:58

ah,

elton john ist immer gut. die "love songs" lassen mich nur so dahin schmelzen. genau das richtige... :-)
antworten
iggy (Gast) - 19. Dez, 16:30

ach ja, der ist immer noch klasse...

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