THE VILLAGE - ein Dorf vor dem Wald 2

Wie man auf dem Dorf lebte:


Fortan verbrachte ich jedes Jahr ein paar Wochen in Daarau, so werde ich mein Dorf nennen. Meine Großmutter lebte mit ihrer zweitältesten Tochter, also mit meiner Tante Irmgard in einem dieser seltsamen Häuser, die es bestimmt nur auf den Dörfern gibt. Es war ein Fachwerkhaus, unten befand sich ein sehr großer Raum, der als Küche und als Wohnzimmer benutzt wurde. Und es gab eine große Speisenkammer, denn Kühlschränke waren noch ziemlich unbekannt oder unerschwinglich. In der Speisenkammer hingen riesige Schinken und Mettwürste. Der Schinken erinnerte – das habe ich erst später entdeckt – an italienischen Parmaschinken, der ja auch ungeräuchert und luftgetrocknet ist. Schinken, Mettwürste und auch das Schmalz stammten von einem der jeweils zwei Schweine, die im Stall des Hauses mit Essensabfällen gemästet wurden. Der Stall befand sich im gleichen Haus, und wenn man durch die Tür neben dem Kohleofen ging, kam man in eine große mit Steinen gepflasterte Halle. Geradeaus ging es in eine Art Waschküche mit einer Wassermotor-Waschmaschine, und links ging es durch einen finsteren Gang in den Stall. Meistens grunzten zwei Schweine in ihrem Koben, und wenn es Futter gab, steigerte sich ihr Grunzen zu einem verheerenden Kreischen und Quieken.

Es gab auch einen Verschlag für die Hühner, aber die liefen tagsüber draußen auf dem Hof herum oder auf der großen mit Apfel und Pflaumenbäumen bestückten Wiese.

Auch die beiden weißen Ziegen grasten tagsüber auf der Wiese, und wurden abends von Oma in ihren Stall gebracht. Ich hatte mächtig Respekt vor den beiden meist schlechtgelaunten Zicken.
Gut, das war also unten. Oben befanden sich zwei Schlafzimmer, eins wurde von Oma benutzt und von mir, wenn ich da war, und das andere gehörte meiner Tante Irmgard, die dann geheiratet hat und mit ihrem Mann Friedhelm dort lebte.

Fehlt da nicht irgend etwas? Ja tatsächlich, es gab kein Klo, und es gab auch kein Badezimmer. Nun denn, es gab schon ein Klo, aber es handelte sich um eines dieser archaischen Foltergeräte, nämlich um ein Plumpsklo. Dieses Plumpsklo war der Schrecken meiner Kindheit. Schnell verwöhnt vom städtischen Luxus fand ich es grauenhaft, in dieses finstere stinkende Kabuff zu gehen und mich auf eine der zwei runden Öffnungen zu setzen. Zwei Öffnungen? Ja tatsächlich, es war ein Zweisitzer, wahrscheinlich von wegen der Geselligkeit... Jedenfalls verspürte ich absolut keine Lust, meinen Popo dem unbekannten Grauen auszusetzen, das unter mir vielleicht lauerte. Also verrichtete ich meine Notdurft lieber am Rande des Misthaufens, und ich hoffe, es hat mich nie einer dabei gesehen...

Zum Glück gab es Nachttöpfe in den Schlafzimmern. Zum Unglück gab es keine Heizung in den Schlafzimmern, das war im Winter fatal, man musste viele Wärmflaschen vorbereiten bevor man den Gang ins Bett wagte, viele zusätzliche Wolldecken benutzen und durfte vor allem nicht die Nase aus dem Bettzeug heraushalten, sonst fror sie schnell ab. Welch entsetzliche Kälte! Dem Himmel sei Dank war ich nur selten im Winter dort, außer zu Weihnachten vielleicht. Andererseits war es im Winter wunderschön in Daarau, fast immer lag an Weihnachten Schnee, aber leider dann immer so hoch, dass man nicht Schlittenfahren konnte.

Gut, es gab kein Wasserklosett, auch kein Badezimmer, und man badete in der Waschküche in einem großen Zuber, in dem jedes Mal eine Menge warmes Wasser erwärmt werden musste. Ansonsten kann ich mich kaum daran erinnern, wie die tägliche Körperreinigung vonstatten ging. Oder hab ich’s verdrängt?

Ende Teil 2
Bolle Lehmann - 3. Mai, 21:34

Ein Glück, daß die Zeiten vorbei sind.

Iggy - 4. Mai, 06:29

jaaaaa,

aber es gibt da immer noch häuser, die sind im gleichen zustand wie vor 40-50 jahren. naja, bis auf die plumpsklos...
antworten
Mauzi - 3. Mai, 21:40

ja... am meisten würde mich die fehlende Heizung stören...

Iggy - 4. Mai, 06:27

in der tat,

das war absolut frustig ääähh frostig...
antworten
lylo - 4. Mai, 02:02

iggy

bist du das, mit der weißen schleife?
:-)))

Iggy - 4. Mai, 06:26

yep,

nebst papa, oma und tante...:-)
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